Die Uhr tickt. Es sind nicht nur die üblichen Verdächtigen, die Europas Agrarbranche den Nerv rauben. Mit fortschreitender Globalisierung der Warenströme verbreiten sich auf dem alten Kontinent unbekannte und aggressive
Mikroorganismen. Die Größe dieser mikroskopisch kleinen Pilze steht in extremen Widerspruch zu Ihrer Gefährlichkeit. Bereits ein Erreger auf tausend Samen kann eine ganze Bepflanzung infizieren. Besonders im Gewächshaus
sind diese Folgen dramatisch. Vergleichbar einem vollbesetzten Bus mit Klimaanlage an einem nassen Wintertag, vermehren sich die Organismen rasend schnell. Mit der absehbaren Umstellung auf den produktiveren erdlosen
Anbau wächst diese Gefahr noch. Der massive Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft führte bislang dazu, dass die Erreger noch schneller mutieren und anpassungsfähiger werden. Ein Wettlauf, der nur an
der Wurzel zu gewinnen ist. Bisher war es nicht möglich, die Erreger in diesen geringen Mengen bereits im Saatgut nachzuweisen. Erkennbar wurde die Krankheit erst bei der wachsenden Pflanze. Zu diesem
späten Zeitpunkt sind Ernteausfälle mit verheerenden finanziellen Folgen kaum mehr zu verhindern. Ein Beispiel: So hat verseuchtes Saatgut in Italien, Schweiz und in Deutschland zu erheblichen Ernteeinbusen im
Basilikumanbau geführt.
Die Biologen Dr. Marco Thines und Frank Brändle haben mit ihrer Unternehmen PathoScan
den Kampf gegen diese bedrohliche Entwicklung aufgenommen. Die jungen Wissenschaftler entwickeln Sonden, die in der Lage sind, infiziertes Saatgut zu entlarven.
Dabei gehen die Forscher zweistufig vor:
Entdeckt ein Züchter krankhafte Veränderungen an seinen Pflanzen, schickt er das schuldige Saatgut ins Labor. Dort erstellen die beiden Wissenschaftler mittels einer vergleichenden DNA-Analyse mit gesundem Saatgut ein
Täterprofil des Erregers. Ist der genetische Fingerabdruck identifiziert, entwickeln die Forscher einen molekularen Marker, auch Sonde genannt, die den Erreger in zukünftigen Analysen enttarnt. „Und das mit einer
Genauigkeit, die um das 100-Fache höher ist, als bisherige Testverfahren“, so Dr. Marco Thines.
Soll nun verdächtiges Saatgut auf diesen Erreger untersucht werden, identifiziert die Sonde die DNA des
Schädlings durch eine molekularbiologische Reaktion, deren Ergebnis als Fluoreszenzsignal sichtbar wird.
Ein ähnliches Verfahren bereits beim Menschen angewandt,
beispielsweise bei der Frühdiagnose von Infektionskrankheiten wie z. B. Herpes. Doch war eine Anwendung des Verfahrens auf Grund der komplexen Zellstruktur bei Pflanzen bisher unmöglich. Die Marktchancen dieses
Verfahrens, so Dr. Thines und Brändle, seien riesig. Nicht nur die Agrarindustrie habe ein großes Interesse an der Bekämpfung der zerstörerischen Mikroorganismen, sondern auch EU-Kontrollorgane, die sich zahlreichen
Einfuhranträgen von ausländischem Saatgut gegenüber sehen. Bislang fehlten den Prüfern die Möglichkeiten, den Import zu überwachen und infiziertem Saatgut den Zutritt zu verweigern. „Jetzt können wir unseren Kunden
bereits nach vier Tagen sagen, ob ihr Saatgut betroffen ist“, so Frank Brändle.
Nach Ihrem Biologiestudium an der Universität Hohenheim forschten Dr. Thines und Brändle in Ihren Doktorarbeiten über
Infektionsbefall bei Pflanzen. Sie erkannten nach der Entwicklung schnell die Bedeutung der neuartigen Methode. Auf ihrem Weg, den wissenschaftlichen Elfenbeinturm zu verlassen und Ihre Entdeckung zu vermarkten, steht
ihnen die Innovation und Bildung Hohenheim GmbH (IBH) beratend zur Seite. Die 100-prozentige Tochtergesellschaft der Universität Hohenheim transferiert wissenschaftliches Know-how in die Praxis und berät junge
Wissenschaftler bei Existenzgründungen. Seit Ihrer Gründung 1999 hat die IBH bereits über hundert Jungunternehmer der Universität Hohenheim in die Selbstständigkeit begleitet. Sie vermittelte die beiden Wissenschaftler
in das „Junge Innovatoren Programm“ des Landes Baden-Württemberg, in dessen Rahmen zwei Jahre lang eine Grundsicherung vom Land Baden-Württemberg gezahlt wird. Darüber hinaus dürfen die beiden Existenzgründer mit ihrem
Unternehmen PathoScan die Laboreinrichtungen ihres Mentors Prof. Spring vom Institut für Botanik der Universität Hohenheim nutzten.
Der Erfolg der beiden Nachwuchswissenschaftler steht
beispielhaft für die Erfolgsgeschichte des Unternehmertums an der Universität Hohenheim: Nach einer vom Handelsblatt aktuell veröffentlichten Studie gehören die Fördereinrichtungen für Entrepreneurship der Hochschule
dank ihrer Philosophie, Wissenschaft und Praxis zu verzahnen, zu den besten Deutschlands.